Montag, 3. Januar 2011

Projektrituale

Rituale in Projekten sind von großer Bedeutung. Sie verschaffen Sicherheit für die Projektmitarbeiter, da es verlässliche und berechenbare Prozesse gibt. Sie geben Orientierung in Projekten, vor allem, wenn ein Projekt vielen Änderungen unterliegt. Im Moment lese ich (wieder mal) „der Termin“ von Tom de Marco  [1]. Zum Thema Rituale gibt es dort ein Kapitel, das ich in diesem Artikel auszugsweise mit eigenen Gedanken angereichert teilen möchte.

In Kapitel 20 „Projekte brauchen Rituale“ beschreibt Tom de Marco auf den ersten Seiten des Kapitels, was Zombieprojekte sind. Hierauf gehe ich nicht näher ein. Etwa in der Mitte des Kapitels beginnt der Teil mit Projektritualen.

Basis der Erläuterungen und Erklärungen ist ein frustrierendes Meeting ohne Tagesordnung und ohne Eingrenzung des Teilnehmerkreises. Ein eingeflogener externer Experter analysiert schnell die Problematik und schlägt folgendes Ritual vor:

„Das Ritual besteht aus fünf Zeilen. Erstens verkünden Sie, Gulliver, daß und weshalb Sie die Absicht haben, wenigstens eine Person von der Teilnahme an der Besprechung freizustellen. Zweitens erteilt die Gruppe ihre Zustimmung dazu. Drittens wählen Sie mindestens einen Teilnehmer, den Sie aus der Besprechung entlassen – unter Hinweis auf die wichtige Arbeit, die er in der Zeit, die die Besprechung dauert, leisten kann. Viertens teilt die auserwählte Person der Gruppe mit, welche Ergebnisse die Besprechung ihrer Meinung nach bringen sollte. Fünftens applaudiert die Gruppe, wenn der betreffende Mitarbeiter den Raum verläßt“ (Seite 230ff).

Das ist ein mögliches Ritual für Besprechungen. Ich selber war spontan nicht der Meinung, dass dies so funktionieren könnte. Aber bei einer passenden Gelegenheit werde ich das auf jeden Fall ausprobieren.

Warum sind nun Rituale so wichtig? Ich denke, Rituale sind etwas ganz alltägliches, nicht nur in Projekten. Für mich ist es auch ein Ritual im weitesten Sinne, das man morgens aufsteht, sich wäscht, frühstückt und die Zähne putzt. Viele haben am Wochenende das Ritual in Ruhe eine Tageszeitung am Frühstückstisch zu lesen. Wikipedia definiert den Begriff Ritual wie folgt:

„(…) nach vorgegebenen Regeln ablaufende, feierlich-festliche Handlung mit hohem Symbolgehalt (…)“ (Externer Wikipedia Link)

Die Einschränkung auf „feierlich-festliche“ Handlungen würde ich nicht zwingend sehen. Ich beschränke es auf eine nach Regeln ablaufende Handlung – Regeln im weitesten Sinne. Somit ist auch der Prozess des Aufstehens eine Art Ritual, sicher etwas unbewußter ablaufend als andere Rituale.

Rituale begegnen uns auch sehr stark im Bereich der Kindererziehung. Aus meiner eigenen Erfahrung sind Rituale besonders wichtig für Kinder. Der Prozess des „ins Bett gehens“ sollte einem festen Ritual folgen, so dass das Kind sich auf das ins Bett gehen einstellen kann und sich daran gewöhnt, dass bestimmte Abläufe hintereinander durchgeführt werden (Abendessen, Sandmann, Schlafanzug, Zähne putzen, Gute Nacht Geschichte). Durch die ständige (tägliche) Wiederholung der Aktivitäten weiß das Kind schnell was als nächstes passiert und hat so auch die Sicherheit für sich selber.

Auch die Eltern sollten ihr Verhalten in manchen Dingen als „Ritual“ durchführen, so dass das Kind auch in Bezug auf die Eltern Sicherheit entwickelt. Wenn das Kind weiß  Mama macht jetzt jenes und dann kommt das und Papa macht gerade dieses und dann kommt das, dann fühlt sich das Kind sicher und geborgen. Denn natürlich möchten Kinder wissen, was als nächstes auf sie zukommt. 
Für Erwachsene ist das eine höchst unangenehme Situation, wenn sie nicht wissen, was als nächstes passiert. Man fühlt sich nicht als Herr der Lage. Das gilt ebenfalls für Kinder!

Ich bin mir sicher, diese Mechanismen greifen auch in Projektteams – dies hat meine eigene Erfahrung bisher jedenfalls so gezeigt. Natürlich wollen sich die Projektmitarbeiter sicher fühlen. Daher braucht es auch Rituale – verlässliche Prozesse und Personen, die Sicherheit bieten. In Projekten begegnen wir so vielen unvorhersehbaren und schwierigen Situationen, dass es doch sehr angenehmen ist, wenn es trotzdem eingespielte und gewohnte Rituale gibt. Analog zu Eltern, die sich ggü. Ihren Kindern ebenfalls verlässlich verhalten sollten, ist es auch für Projektleiter oder anderen Mitarbeitern mit Führungsverantwortung wichtig, sich ggü. Ihren Teammitgliedern verlässlich zu verhalten. Selbst in unsicheren Zeiten ist ein verlässlich agierender Projektleiter ein stabiler Leuchtturm, an dem sich Mitarbeiter ausrichten können.

Insgesamt bin ich überzeugt, dass Rituale von hoher Wichtigkeit sind, da Sie auch die Kommunikation fördern. Welche Rituale für ein Projekt gut und wichtig sind kann man meines Erachtens nicht im Vorfeld zu 100% sagen. Natürlich gibt es bewährte Rituale, die etwas angepaßt eingeführt werden können. Aber die wirklichen Schlüsselrituale müssen unter Berücksichtigung der Gegebenheiten gefunden werden. Optimal ist es aus meiner Sicht, wenn ein Team aus sich heraus Routinen und Rituale findet und einführt.

Allen Projektleitern empfehle ich, sich die Zeit zu nehmen, um vielleicht bestehende Rituale zu hinterfragen, wieder regelmäßig zu pflegen und neue Rituale zu entwickeln. Die Arbeit eines Projektleiters sollte neben Kommunikation und Koordination genau das ausmachen – finde ich. Wer "der Termin" noch nicht gelesen hat, empfehle ich die Lektüre - es lohnt sich! 

[1]
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